Architekt, Architektur, Ermatingen, Primar - Schulhaus in Ermatingen

Primarschulhaus 95 Ermatingen

Erweiterung, energetische Sanierung und Instandsetzung Altbau

Wettbewerb

Bauarbeiten: 1994 - 1995 • mehr/Foto/Baubeschrieb unten >>

Architektengemeinschaft mit Eugen Staub, Marthalen

• mehr/Foto Wettbewerb 2010 >>

Primarschulhaus Ermatingen: Erweiterung und Erneuerung



Bericht des Architekten



Das Konzept


Die alte Schulanlage aus dem Jahr 1953 wurde mir ihrem typischen Erscheinungsbild weitgehend belassen, geringfügig der neuen Situation angepasst und nicht zuletzt aus Kostengründen nur soweit als nötig "sanft" erneuert.


Südlich vorgelagert, halbgeschossig versetzt und mit grösstmöglichem Abstand zum Altbau, nämlich direkt an der Baulinie zur Berggasse, steht der voll unterkellerte, zweigeschossige Neubau. Das neue, eigenständige, helle Treppenhaus mit Metallfassade, dient auch der Verbindung von Alt- und Neubau im Erdgeschoss und Untergeschoss.


Mit wirtschaftlich, energetisch und ökologisch vertretbaren Mitteln wurde versucht, einen guten Komfort für die Benutzer zu garantieren: Automatische Einzelraumtemperaturregulierung, gezielte, örtliche Verbesserung der Wärmedämmung (Estrichboden, Singsaaldach, Fensterbrüstungen und Fenster, Perimeterdämmung) und Winddichtung. Der Wärmebedarf der erweiterten und sanierten Anlage wird gemäss Energiekonzept und bei entsprechendem Benutzerverhalten geringer sein, als vorher.



Die Termine


Gut ein Jahr nach dem Spatenstich vom 26. März 1994 konnten die Primarschüler und ihre Lehrer am 18. April 1995 den Erweiterungsbau mit den vier neuen Schulzimmern in Besitz nehmen. Zwei der sechs Klassen fanden für ein halbes Jahr provisorisch Platz in der extra dafür teilweise ausgebauten Raumreserve im Untergeschoss.


Im vollständig geräumten Altbau wurden anschliessend, unabhängig vom Schulbetrieb, die nötigen Umbau- und Erneuerungsarbeiten in Angriff genommen.


Die Bauarbeiten im Altbau konnten trotz unvorhergesehenen Mehrarbeiten als Folge diverser Deckenverstärkungen und dank dem flexiblen Einsatz der Unternehmer gemäss Terminprogramm abgeschlossen werden.


Nach den Herbstferien begann am 23. Oktober 1995 für alle Klassen der Unterricht in den neuen oder erneuerten Schulzimmern. Die Zeit der knappen Platzverhältnisse, Provisorien, Entbehrungen und Störungen während der Bauarbeiten fand ein Ende.




Der Altbau


Jeweils das mittlere Klassenzimmer im Ober- und Erdgeschoss wurde unterteilt. Die so entstandenen Halbräume werden als Gruppenräume resp. als Sammlungsraum genutzt. Das ehemalige Klassenzimmer gegenüber dem Singsaal dient neu als Lehrer- und Behördensitzungszimmer.


Die alten WC's im Erd- und Obergeschoss, die Haustechnikzentrale im Untergeschoss und diverse Einrichtungen für den Hauswart mussten vollständig erneuert werden.


Zwei aussenliegende Rampen erleichtern die Anlieferung und Gebäudereinigung im Untergeschoss und Erdgeschoss und machen die Schule auch ohne aufwendige Liftanlage wenigstens teilweise rollstuhlgängig.



Der Neubau


Der kompakte Baukörper besteht aus dem, im Grundriss identischen Erdgeschoss und Obergeschoss. Je zwei Klassenzimmer pro Geschoss haben einen direkten Zugang zu einem gemeinsamen Gruppenraum. Im Untergeschoss ist diese Raumeinteilung sinngemäss übernommen worden. Im Hinblick auf den provisorischen Schulbetrieb wurde im Treppenhausbereich zusätzlich eine bescheidene WC-Anlage und ein Putzraum eingebaut.



Die Südorientierung


Alle Unterrichtsräume sind, bedingt durch das Grundstück, wie im Altbau genau nach Süden orientiert, was sich einmal mehr als nicht nachteilig erwiesen hat:


Die im Obergeschoss und Erdgeschoss über den Fenstern fest montierten Schattierungselemente aus Metall, tragen nämlich dazu bei, dass bei hohem Sonnenstand im Sommer die Klassenzimmer nicht unnötig aufgeheizt werden. Der Unterricht kann weitgehend ohne abgesenkte Lamellenstoren und bei Tageslicht

stattfinden. Die nach Norden orientierten Pultoblichter im offenen Dachstuhl des Obergeschosses im Neubau unterstützen die Absicht, soweit als möglich mit natürlichem Licht unterrichten zu können.


Umgekehrt kann die durch die grossen Südfenster flach einstrahlende Sonne vom Herbst bis Frühling wesentlich dazu beitragen, Heizenergie zu sparen.


Wegen dem relativ grossen Dachvorsprung konnte beim Altbau auf solche festen Schattierungselemente im Obergeschoss verzichtet werden.




Die Baumaterialien


Selbstverständlich wurde bei der Wahl der Baumaterialien dem ökologischen Aspekt soweit als möglich Rechnung getragen, unter Berücksichtigung der konstruktiven, finanziellen und handwerklichen Gegebenheiten.


Das massive Verbundmauerwerk aus Backstein mit wärmetechnisch optimierter Schlitzlochung ergibt beste Bedingungen für die Temperatur- und Feuchtigkeits- regulierung und garantiert damit ein behagliches, gesundes Raumklima.


Ein Teil der sichtbaren Holzkonstruktion des Daches stammt aus dem Ermatinger Wald, was im wahrsten Sinn des Wortes naheliegend, aber leider längst keine Selbstverständlichkeit mehr ist und auch ausdrücklich verlangt werden musste.


Als wärmedämmende Materialien gelangten in den Dächern des Neubaus und des Singsaals Zellulosefasern, gewonnen aus Zeitungspapier, und auf den Aussenwänden im Untergeschoss (unter Terrain) Schaumglasplatten zum Einsatz.


Das gewohnheitsmäßige Verwenden von schadstoffhaltigen Materialien und Farben auf der Baustelle und in der Werkstatt, versuchten wir, soweit erkennbar und beeinflussbar zu verhindern.



Das Lernen mit dem Körper


Begreifen mit Händen, ein Thema behandeln, verstehen mit Füssen, barfüssig, warum nicht Wort wörtlich, mit allen Sinnen und voller Lust, wenigstens in den ersten Schuljahren? Spürbare Oberflächen verschiedenster natürlicher Materialien, wie der kühle, gebrochene Schiefer im Treppenhaus, der warme, geschliffene, wasserlackierte Buchen- und Eichenparkett in den Klassenzimmern, der weiche, steckbare Korklinol auf den Schranktüren und die glatten Sichtbetonpfeilern zwischen den Holz-Metallfenstern, bieten sich im Neubau an.



Die Farben


Den Vorlieben der Altersstufe entsprechend sind klare, kräftige Farbtöne als Akzent (blau) oder mit Signalfunktion (rot und gelb), den stark verhüllten oder pastellartigen modischen "Erwachsenen"-Farben vorgezogen worden. Ob das Ziel erreicht wurde, mit der Farbgebung eine freundliche, fröhliche Stimmung zu erzeugen, muss vor Ort überprüft werden.


Im Altbau sind die Oberflächen der Korridore nur soweit als durch die Bauarbeiten oder Abnutzung nötig, erneuert oder ausgebessert worden. Die vorhandenen Farbgebung wurden entsprechend beibehalten.


Die kindliche Erlebniswelt


Mit einfachen Mitteln und unter Einbezug bereits vorhandener Spielgeräte und Pflanzen, konnten verschieden grosse, abwechslungsreiche Pausenplatzbereiche geschaffen werden.


Im Norden pflanzten die Kinder neben dem Spielturm und der Rasenfläche für Ballspiele, Obstbäume und Beerenstauden, mit ausschliesslich essbaren Früchten. Als Kontrast dazu entstand im Süden an der Berggasse ein Pflanzlehrpfad mit ungeniessbaren, einheimischen Pflanzen. Im Westen wurde eine grössere Sitzecke für den Unterricht im Freien gebaut und im Osten, vor der verglasten Pausenhalle befindet sich der rollschuhtaugliche Trockenplatz mit dem wuchtigen Kletter- und Spielbrunnen aus zwei mehrtönnigen Granitbrocken aus dem Schwarzwald.


Einige während den Bauarbeiten beobachtete Spielgewohnheiten der Kinder oder deren Reaktionen auf die neue Umgebung wurden gerne und laufend in der definitiven Umgebungsgestaltung berücksichtigt.



Das Unvorhergesehene


Zu Beginn der Umbauarbeiten im Altbau wurde überraschend festgestellt, dass die Tragfähigkeit des Singsaaldaches und der Klassenzimmerdecken resp. -böden ungenügend war und den üblichen Sicherheitsanforderungen für Schulen nicht entsprach.


Obwohl keine akute Einsturzgefahr bestand, musste Wohl oder Übel die vorhandene Statik verbessert werden, zugunsten einer verantwortbaren, sicheren und uneingeschränkten künftigen Nutzung des Gebäudes.


Die angemessene Verstärkung der betroffenen Bauteile konnte gerade noch rechtzeitig mit den übrigen Bauarbeiten koordiniert werden. In der Folge mussten aber diverse abgehängte Gipsdecken im Untergeschoss und Erdgeschoss zusätzlich abgebrochen und anschliessend nach dem Aufkleben der Bewehrungslamellen wieder eingebaut werden.



Der Dank


Trotz knappen finanziellen Mitteln ist auf dieser Baustelle ausserordentlich viel geleistet worden. Mein Dank geht an all jene, welche kooperativ und mit Rat und Tat zum guten Gelingen beigetragen haben.



Jörg Singer


Architektengemeinschaft Jörg Singer & Eugen Staub, dipl. Architekten ETH/SIA, 8272 Ermatingen


Planungsarbeiten:



Architektur / Bauleitung


Architektengemeinschaft  Jörg Singer & Eugen Staub, dipl. Architekten ETH/SIA, 8272 Ermatingen


Statik


Hans-Ulrich Hug, Bauingenieur HTL/STV, 8272 Ermatingen


Haustechnik


Sanitäranlage: Edwin Keller AG, Berat. Ing.-Büro SBHI, 9320 Arbon

Heizungsanlage: Enplan AG, Ingenieure HTL/STV, 9320 Arbon

Elektroanlage: Christof Hämmerli, Elektrotechnik, 8272 Ermatingen


Beratungen


Energieberatung: Bruno Wick, 8967 Widen/Mutschellen

Akustik: Marcel A. Brügger, 8500 Frauenfeld

Metallfassade: Barasits & Grischott, 8353 Elgg

Joerg Singer, dipl. Architekt ETH/SIA

Architekturbüro/GmbH, Riedstrasse 10, 8272 Ermatingen, Thurgau

Fon: 0041 (0)71 660 06 90

Fax: 0041 (0)71 660 06 91

Mail: • joerg.singer@bluewin.ch >>

Homepage: • www.jsinger.ch >>